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Freie Presse Stollberg vom 11. Januar 2010

Wie weit sind unsere Kinder?

Auf Initiative der Verbundstadtwerke: Spielerische "Frodi"-Tests in der Kita sollen Entwicklungsdefizite aufdecken.

Stollberg. Ein wissenschaftlich fundiertes Frühförderkonzept für Kinder in Kindertagesstätten, genannt "Frodi", holen die Verbundstadtwerke Südwestsachsen (VSW) in die Region. Am Mittwoch werden 21 Erzieherinnen von 18 Kindertagesstätten aus Stollberg, Lichtenstein und Crimmitschau bei den früheren Stadtwerken Stollberg mit der "Förderampel" des Leipziger Instituts für systemisch-integrative Lerntherapie vertraut gemacht.

Die "Leipziger Untersuchung zur Wahrnehmungsfähigkeit" soll helfen, körperliche Nachteile von Vorschulkindern zu erkennen, um sie gezielt behandeln zu können. Anstrengungen in diese Richtung werden bereits von vielen Kitas unternommen. Von "Frodi" zeigte sich VSW-Geschäftsführer Bernd Nachtwei besonders wegen des strukturierten und wissenschaftlich begleiteten Vorgehens angetan.

Markus Hannig, Sprecher der VSW-Geschäftsführung, hob die Referenzen des Instituts hervor, dessen Arbeit ihm seit Jahren bekannt sei. Mit "Frodi" haben nach Angaben des Leipziger Institutschefs Sven Lychatz bisher 180 Kindertagesstätten und Frühförderstellen in Mitteldeutschland, dem Ruhrgebiet, Stuttgart und Bayern versucht, bedenkliche Entwicklungen im Kindesalter zu identifizieren.

Laut Institutschef Lychatz sind immer mehr Kinder in ihrer Seh-, Hör- und Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Der Kinder- und Jugendärztliche Dienst gehe zum Beispiel davon aus, dass die Zahl von Kindern, die in ihrer Sprachfähigkeit gestört sind, binnen fünf Jahren um ein Drittel gestiegen ist. Laut Sozialreport der Stadt Leipzig haben 19 Prozent der Sechsjährigen mangelnde feinmotorische Fähigkeiten und zehn Prozent Probleme mit der Grobmotorik. Lychatz sagte gestern, dass diese Trends sich auch in anderen Regionen und im ländlichen Raum bemerkbar machen.

Die "Förderampel" ist ein vom Leipziger Institut entwickelter Fragebogen, der individuell für jedes Kind nach 20- bis 25-minütigen Tests von den Erziehern ausgefüllt wird. Die Farben Rot, Gelb und Grün lassen Entwicklungsprobleme intuitiv erkennen. Mit ihrer Hilfe können die Erzieher zum Beispiel Elterngespräche führen. Die Kinder erleben die Tests als Spiel, der Plüsch-Affe "Frodi" als Maskottchen lenkt von der Ernsthaftigkeit der Untersuchung ab.

Das "Frodi"-Projekt zielt ausdrücklich auf körperliche Merkmale, die nach neueren neurobiologischen Erkenntnissen bis zu Beginn der Schulzeit voll ausgeprägt und von den Lehrern später nicht mehr beeinflussbar sind. "Was in dieser Zeit versäumt oder nicht erkannt wird, ist vorbei", sagt Sven Lychatz. In Leipzig läuft eine Langzeitstudie zu "Frodi", dort wird bereits der dritte Jahrgang untersucht.

Die Verbundstadtwerke betreten mit der Aktion, die sie vorerst mit 3000 Euro unterstützen, Neuland: Neben der hergebrachten Unterstützung lokaler Vereine und Veranstaltungen werden die VSW erstmals auf sozialem Gebiet in der Gesamtregion aktiv.

Stunde der Wahrheit zum Schulanfang

Die Zahl der Entwicklungsstörungen bei Kindern im Vorschulalter nimmt zu. Hoher Fernsehkonsum kann die Fähigkeit zum dreidimensionalen Sehen beeinträchtigen und zu Problemen im Mathematikunterricht führen. "Heute verbringt im statistischen Mittel jedes Vorschulkind zweieinhalb Stunden täglich vor dem Fernseher", sagt der Inhaber des Leipziger Instituts für systemisch-integrative Lerntherapie, Sven Lychatz. Zur Schuleingangsuntersuchung schlägt die Stunde der Wahrheit. Die Stadt Leipzig hat in einem Sozialreport 2007 (regionales und aktuelles Datenmaterial ist rar) die folgenden Befunde aufgelistet:

  • 27 von 100 Kindern zeigen Sprachauffälligkeiten,
  • bei 20 von 100 ist die Sehschärfe eingeschränkt,
  • bei 19 von 100 ist die Feinmotorik gestört,
  • 17 von 100 haben eine gestörte visuelle Wahrnehmung,
  • 16 von 100 zeigen emotionale und psychosomatische Auffälligkeiten,
  • 12 von 100 haben Probleme in der Grobmotorik
  • 11 von 100 Vorschulkindern hören schlechter.

Ronny Schilder